Ich berichte von einem kleinen Survival-Projekt: Eine Übernachtung im Pfälzerwald mit nur 50% der üblichen Ausrüstung (zufällig ausgewählt).
Es ist Ende Juli. Eine Hand voll freier Tage zwischen Alltag und Arbeit wollen wild genutzt werden. Also ab nach draußen! Aber einfach nur draußen übernachten? Nein: Da muss doch noch eine kleine Variante her, ein Experiment, eine Herausforderung. Mein Mitstreiter und ich denken uns ein neues "Überlebens-Format" aus.
Wir packen die Ausrüstung für eine Übernachtung im Freien und entscheiden uns keine Isomatten mitzunehmen, dafür aber etwas Grillgut. Weil wir nicht auf Materialschlachten stehen werden wir nur 50 Prozent der Ausrüstung mitnehmen. Welche Gegenstände, das entscheidet das Los.
Wir legen alles auf den Boden, verteilen Losnummern und Zählen durch: 35
Ausrüstungsgegenstände. Nur die Hälfte darf mit. Also sagen wir insgesamt 17 Gegenstände.
Unsere Glücksfee zieht nach und nach 17 Nummern und siehe da, wir sind gut aufgestellt! Eine Plane ist dabei, wir haben genug Wasser, Messer, Schnur und ein Feuerzeug. Leider hat es nur für einen Rucksack, einen Schlafsack, und eine Regenjacke gereicht.
Dafür haben wir das große Glück dass wir beide Schuhe tragen dürfen, die waren nämlich auch im Lostopf. Ohne wär es witzig geworden... Beim Essen mussten wir Abstriche machen: Es gibt zwei Dosen Kichererbsen, einen Emmentaler und eine Dose Fisch. Die Bratwürste und die Kartoffeln bleiben daheim. :-(
Wir werfen einen kurzen Blick auf das Luftbild vom Pfälzer Wald, zeigen mit den Fingern auf eine weitgehend unbewohnte Gegend und starten den Motor. Eine Stunde später umfängt uns die Stille und der Duft des Waldes. Ein Bachlauf plätschert und gluckst vergnügt zwischen satten Brennnesseln und Kletten-Gestrüpp, die Sonne verströmt den Duft der Nadelbäume und in den tanzenden Schatten spiegelt sich unsere Vorfreude auf die Nacht.
Der zweite Rucksack ist mit der Plane schnell ersetzt und die Rolle wird mit unseren Gürteln auf meinen Rücken geschnallt. Dummerweise erhalte ich den Spitznamen "Flying Donut", nicht sehr heldenhaft. :D
Schon nach kurzer Zeit im Wald sind die Gesprächsthemen Wildpflanzen, Lagerbau, Verhalten bei Unwetter und wie hoch die Chancen sind einen der Pfälzer Luchse zu entdecken.
Wir sammeln Zunder und graben einige Wurzeln der großen Klette aus. Nach einem erfüllenden Tag voller Walderlebnisse, der Entdeckung von zwei großen Höhlen und einigen Wandertouristen, finden wir ein abgelegenes Tal. unser Lagerplatz ist von Wildschweinen zerwühlt aber ansonsten eben und unberührt.
Mitten im tiefsten Unterholz entdecken wir die Reste eines Luftballons und eine mitgenommene Hochzeitskarte von Janina und Sebastian. Glückwunsch an dieser Stelle!
Es hat inzwischen angefangen zu regnen weshalb wir unsere Kleider ausziehen. Wir sind ja schließlich wasserdicht und brauchen trockene Kleidung für die Nacht, es sind nämlich nur 13 Grad vorhergesagt. Ein großer Haufen Buchenlaub unter unserer Bodenplane ersetzt die Isomatten. Der Rest der Plane wird flach abgespannt damit es nicht reinregnet. Unter den gesammelten Steinen finden wir Ameisennester und bedienen uns an deren Eiern. Sie schmecken sehr reichhaltig, süß und etwas nach Pinienkernen.
Die Dunkelheit kommt schneller als erwartet und mit ihr mehr Regen. Unter unserer Plane und unter unserem Schlafsack ist es zwar etwas eng, dafür aber trocken. Die Nacht kann kommen.
Das Laub wird in unserer einen Regenjacke gesammelt und aufgeschüttet. Wenn die Unterlage mal platt gelegen ist, kann man es aushalten.
Die Kichererbsen hängen über dem Feuer und der Käse brutzelt an kleinen spießen über der Glut. Irgendwo im Unterholz läuft ein großes Tier. Die Matte aus Laub isoliert gut und unsere Plane
verrutscht nicht.Wir schlafen schnell ein, das letzte was ich höre ist das gleichmäßige Geräusch des Regens.
Der nächste Morgen ist immer noch regnerisch, trotzdem ist das Feuer schnell entfacht und wir genießen einen Kaffee aus der Blechdose vom Vorabend. Ja, den hat uns die Glücksfee
gegönnt.
Wir hinterlassen das Lager fast ohne Spuren, "No-Trace-Trekking" gehört zum Outdoor-Ehrenkodex.
Auf dem Rückweg stellen wir fest, dass wir weiter gelaufen sind als wir dachten. Am Vorabend haben wir gegen 20 Uhr eine Familie mit zwei kleinen Kindern getroffen, die hatten sich verlaufen und waren sicherlich noch eine Stunde vom Parkplatz entfernt. Wir haben sie auf den richtigen Weg geschickt, waren uns aber nicht sicher ob sie unseren Rat ernst genommen haben. Auf dem Rückweg halten wir immer wieder Ausschau nach der verschollenen Familie, sie werden es sicherlich geschafft haben.
Am Mittag erreichen wir unser Auto. Ich stell immer wieder fest, dass 24 Stunden für ein intensives Naturerlebnis ausreichen. Die Ruhe der Wälder braucht nicht lange um mein Herz zu erweichen.
Aber wer weiß: Beim nächsten Mal fehlen vielleicht die Plane, die Schuhe und das Feuer. Mal sehen wie viel Ruhe ich dann finde :-)