Survival-Tagebuch 2004 - 1. Anreise

 

 

Mein jugendliches Abenteuer beginnt mit einer langen Anreise. Doch auch hier warten Erlebnisse und Begegnungen, mit denen man rechnen muss.


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Wo beginnt eine Abenteuerreise? Wenn man den ersten Schritt in den Wald tut? Wenn man ins Flugzeug steigt? Wenn man aus der Haustüre geht? Wenn man die Reise plant oder schon wenn man die erste Sehnsucht nach Weite im Herzen spürt?


Mein Tagebuch beginnt nach der Landung in Schweden und blickt zurück auf die Flugreise.

Am 02.08.2014 um 17:30 Uhr ging mein Flug von Köln-Bonn nach Stockholm. Es folgten 24 Stunden Aufenthalt in Stockholm:

Tagebuch Schweden 2004
Montag: 2.8.2004

"Ich bin jetzt seit einigen Stunden, vielleicht seit drei, in Schweden. Der Flug hat knappe zwei Stunden gedauert, die ich mit aus dem Fenster schauen verbracht habe. Anfangs war’s langweilig da sind wir über Deutschland mit seinen ganzen Äckern geflogen. Dann war’s noch langweiliger weil wir über die Nordsee gekommen sind, wo ich allerdings einen Windpark im Wasser sehen konnte, welcher aus etwa 50 Windrädern bestand. Ich hatte mich schon den ganzen Flug über gefreut, Schweden aus der Luft zu sehen. Als wir dann endlich über Schweden waren habe ich was gesehen? Schwedische Wolken! Erst beim Landeanflug hatte ich die Gelegenheit Stockholm aus der Luft zu betrachten. Die Stadt hatte überhaupt nichts von einem grauen, schmutzigen Großstadtlabyrinth. Vielmehr  schien mir Stockholm ein Kunstwerk, oder ein Spielplatz zu sein. Die kleinen Häuser, die es in allen Farben zu  eben schien, waren teilweise wie zufällig in den Wald gestreut, oder weiter zum Zentrum hin, dann schön sauber aneinandergereiht, sodass sie Halbkreise und Bögen bildeten, die sich an die sich windenden Straßen anschmiegten. Ich hatte eigentlich vorgehabt nach der Landung im Flughafen zu bleiben und dort zu übernachten, was ich jedoch wieder verwarf als ich dort ankam und die unbequemen Bänke sah. Jetzt sitze ich auf einer noch unbequemeren im Stockholmer Bahnhof.

Ich bin vom Flughafen „Arlanda“, der etwas von Stockholm entfernt liegt, mit einem Expresszug hierher gefahren. Die Fahrt hat mich 90 schwedische Kronen gekostet. Dafür war der Zug absolut schnell und komfortabel, sodass ich nach 20 Minuten in Stockholm war. Ich bin dann ein bisschen um den Bahnhof und am Hafen herumgetigert, auf der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz. Ich bin aber wieder in den Bahnhof gegangen, um auf die Dunkelheit zu warten. Ich werde wahrscheinlich am Hafen unter einer Brücke schlafen."

Ich hatte Recht. Die Nacht habe ich unter einer Treppe an einem Wasserarm verbracht, allerdings nicht allein:

Dienstag: 3.8.2004

"Gestern Abend im Bahnhof, ich war gerade dabei mich auf den Weg zu meinem Schlafplatz zu machen, hat mich ein Franzose angesprochen ob ich nicht jemand wüsste bei dem er übernachten könne, da er nicht genug Geld für ein Hotel bei sich habe. Wir setzten uns noch zu zwei Polen, die auf ihren Zug warteten. Der Franzose, er hieß Fabian, war 26 und arbeitete bei der Air France. Als der Bahnhof zugemacht hat war es 12 Uhr nachts und Fabian und ich sind rausgegangen. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, in einem kleinen Park am Wasser zu schlafen. Allerdings regnete es, sodass ich mir einen Platz unter einer Treppe suchte. Da Fabian noch keine Übernachtungsgelegenheit
gefunden hatte, bot ich ihm an mitzukommen. Alles was er dabei hatte, war ein kleiner Rucksack mit einem T-Shirt drin. Es schien recht kalt zu werden, also gab ich ihm meine Isomatte und mein Regencape. Ich hab’ mir ein paar Müllsäcke ausgebreitet auf die ich mich legte. 

    In der Nacht ist Fabian immer näher an mich rangerückt, bis ich ihn fragte was das solle. Er meinte daraufhin er sei bi und würde sich gerne etwas an mich rankuscheln. Ich hab’ ihm dann von meiner Freundin in Deutschland erzählt, dass ich nichts für körperlichen Kontakt mit Männern
übrig habe und dass ich jetzt gerne schlafen würde, was er zu meiner Erleichterung verstanden zu haben schien. Allerdings musste ich ihn 20 Minuten später wieder zurückweisen, diesmal mit deutlich lauterer Stimme und schärferem Tonfall.

    Fabian ist früh aufgewacht und hat mir gesagt er würde ein bisschen rumlaufen weil ihm kalt war. Er ist dann nach zwei Stunden wiedergekommen. Wir haben uns noch ein bisschen unterhalten, bevor er zum
Bahnhof gegangen ist. Im Großen und Ganzen ein netter Kerl mit etwas anderen Interessen.
Ich bin gleich am Morgen wieder in die Bahnstation gegangen um mich aufzuwärmen. Ich hab’ dann später mein Gepäck für 35 Kronen im Bahnhof einschließen lassen und bin in die Stadt gegangen, wo ich mir eine Gaskartusche, ein Handtuch und einen Kebab gekauft habe. Die Straßen haben mich ein bisschen an die von Buenos Aires erinnert. Ich bin viel im Bahnhofsgebäude gesessen, lesend, schreibend, wartend. Um 17.30 Uhr bin ich dann mit dem Zug losgefahren, in Richtung Norden. Über Gävle, Sundsvall, Boden. In Boden ist noch ein weiterer Zugteil angehängt worden. In Murjek bin ich dann ausgestiegen. Es war bereits der 4.8.2004."

Die ungemütliche Nacht unter der Treppe in Stockholm ist mir lange in Erinnerung geblieben, nicht zuletzt wegen dem fragwürdigen Annährungsversuch von Fabian. Jedenfalls ist es immer eine gute Lagerfeuer-Geschichte und ich habe sie schon oft erzählt!

Es war übrigens nicht meine letzte Nacht unter einer Brücke, aber die letzte mit einem Schwulen an meiner Seite.

Mittwoch: 4.8.2004

"In Murjek nahm ich dann den Bus nach Jokkmokk, in dem ich nicht der einzige Deutsche war. Ich hab’ dann von der Touristeninformation aus meinen Freund Sebastian angerufen, wofür ich aber erst eine Telefonkarte kaufen musste. Ich wurde um 12 Uhr abgeholt und bin nach einer Weile Fahrt in dem kleinen „Ort“ angekommen, in welchem Sebastian seine zwei Hütten 50m von einem Seeufer entfernt stehen hat. Es ist ein See der aber nicht tief ist. Mein Zelt hab’ ich am Ufer aufgebaut. Am Nachmittag sind einige Norweger gekommen, Bekannte von Sebastian.  Später am Abend sind wir mit dem Boot auf den See rausgepaddelt, um Hechte zu angeln. Allerdings blieb es bei zu kleinen Barschen, die wieder zurückgesetzt wurden."

Ich erinnere mich noch gut, dass ich von der Weite und der Wildnis des Landes beeindruckt war. Neben der Straße waren große Straßengräben für die Schneemassen. Dahinter hat dichter Wald angefangen. Alte Wälder, Moore, Heideflächen.

Donnerstag: 5.8.2004 

"Ich bin heute Morgen schon um sieben Uhr von der Sonne geweckt worden, die mir durch den einzigen offengelassenen Spalt im Zelt ins Gesicht schien. Ich bin dann direkt baden gegangen und hab’ ein paar Kleider im See gewaschen. Es zieht etwas zu. Wolkendecke mit darunter hängenden tiefen Kumulus. Aufkommender Wind.
Wir verbringen den Rest des Tages mit ausruhen und fischen. Am Nachmittag bin ich dann zu einer halben Seeumrundung aufgebrochen, bei der ich immer so weit wie möglich am Ufer gelaufen bin. Ich bin durch Moore gestapft, hab’ mich durch Dickichte gekämpft und mich mit den Mücken rumgeschlagen. Als ich dann auf der gegenüberliegenden Seeseite angekommen war, musste ich nur winken und wurde mit dem Kanu abgeholt."

Auf diesem kleinen Spaziergang ist mir schnell klar geworden, dass ich die falschen Schuhe mitgenommen hatte. Es waren gute Wanderschuhe von Meindl, aber eben Wanderschuhe. Aus Leder. Nur bedingt wasserdicht. Was ich hier brauchte waren Gummistiefel oder wasserdichte Stiefel von Lundhags. Alle meine späteren Touren in Skandinavien habe ich mit Wandergummistiefeln gemacht. Unumgänglich wenn man sich abseits von Wegen und somit durch die vielen Sümpfe bewegen will.

Die Fortsetzung und damit die ersten Schritte in der Wildnis findest du hier: 

Survival-Tagebuch 2004 - Die Herausforderung zum Verbündeten machen


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