Der neunte Tag Survival und die Regenwolken zeigen mir was so in ihnen steckt. Regen, Kälte, Hunger und Nebel drücken auf das Gemüt.
Survival - Überlebenstraining. Heißt das jetzt, dass ich mich auf die Erfüllung meiner elementarsten Bedürfnisse beschränke? Nein! Ich bin der Meinung, dass in jede Survivalsituation Luxus und Kunst gehören, denn sie machen einen Handlungsfähiger.
Hier geht es zu der Übersicht zur Artikelserie: Survival-Tagebuch 2004.
Survival und Nebensächlichkeiten
Es war der neunte Tag. Der Regen hatte seinen Höhepunkt erreicht und meinen Unterschlupf an seine Grenzen gebracht. Zur Erinnerung: Ich hatte einen verfallenen Unterschlupf von Rentierhirten wieder bewohnbar gemacht. In diesem Artikel habe ich meinen Einzug beschrieben: Survival-Tagebuch 2004 - 6. Einzug in die Hobbithöhle
Das Problem an meinem Unterschlupf war, dass die bewachsene Erdschicht über dem Holzgerüst zwar zunächst Regen abhielt, bei langem Regen jedoch aufweichte und anfing zu tropfen. Normalerweise befindet sich bei dieser Bauweise zwischen Holzgerüst und Erdschicht eine Lage aus Birkenrinde, die auch starken Regen abgeleitet hätte. Die Rinde war bei meiner Hütte allerdings schon lange verrottet.
So blieb mir nichts anderes übrig, als mich in den letzten trockenen Winkel meiner Höhle zu verkriechen. Den hatte ich bis dahin immer für mein Feuerholz reserviert, weil das aber aufgebraucht war, konnte ich im trockenen kauern.
Die trockenen Stunden des Tages verwendete ich zum Feuerholz und Essen sammeln, da blieb keine Zeit das Dach abzudichten.
Rückblickend muss ich sagen, dass bessere Regenkleidung einen großen Unterschied gemacht hätte. Insbesondere fehlte mir eine Regenhose. Den wahren Wert von Regenhosen habe ich auch auf späteren Touren immer wieder "hautnah" erfahren dürfen. Nämlich immer dann, wenn ich keine hatte und die Highend-Hardshell-Regenjacke das Wasser gewissenhaft abgewiesen und auf meine Oberschenkel geleitet hat. Ein mäßiger Wind macht aus den nassen Hosenbeinen dann einen Gefrierschrank.
Deshalb: Regenhose immer mit einpacken.
Aus meinem Tagebuch:
Freitag: 20.8.2004
"Kalt und nass. Das sind die beiden Worte mit denen ich diesen Tag beschreiben würde. Es hat die ganze Nacht, ohne Unterbrechung durchgeregnet und
durch die Kote hat es die ganze Nacht, ohne Unterbrechung durchgetropft. Ich bin immer noch dabei alles was nur irgendwie nass
ist am Feuer zu trocknen. Ich hab auch schon meinen Schlafplatz in die andere Hälfte der Kote verlegt, dahin wo mal mein Brennholz gelegen hat. Das Brennholz ist fast aufgebraucht. In der Ecke tropft es nicht so sehr. Ich habe überhaupt keine Ahnung wie
spät es sein könnte. Ich hoffe spät. Heute bin ich nur in dieser feuchten, rauchigen und zugigen Kote gesessen und habe meine
Sachen getrocknet und ein bisschen geschrieben. Ach ja, mein Holzvorrat ist auch nass geworden. Ich habe erstmal
alle dickeren Hölzer geschält und über dem Feuer getrocknet. Das Feuer habe ich mit den letzten trockenen Holzresten gemacht. Wie einen so ein Wetter runterziehen
kann ist schon erstaunlich. Ich werde dann wohl trotz Regen, Nässe und Kälte ein bisschen raus gehen
müssen.
So, jetzt sitze ich wieder an meinem Feuerchen im Rauch. Ich koche gerade den letzten Rest meines gepökelten Hasenfleischs. Vorhin habe ich 607 Moltebeeren
gegessen (neuer Rekord). Gestern waren es nur 380. Meine Laune ist ein ganz bisschen gestiegen. Ich bin mal durchgegangen, was
ich alles an Ausrüstung verwendet habe. Gar nicht so viel. Und das meiste hat mir nicht viel Erleichterung gebracht. Bis auf den Topf und den
Schlafsack, ach und die Müllsäcke auf denen ich liege.
Im Grunde genommen hätte ich den
ganzen „Luxus“ auch weglassen können, denn er hat mir weder Gesellschaft noch Essen gebracht. Ich war nur ein bisschen zu
bequem. Ich werde nach dem Essen ins Bett gehen. Ich weiß zwar nicht wie spät es ist, weil man draußen vor lauter Nebel keine 50m sieht, ist mit aber auch egal. Je
früher, desto besser."
Meine Stimmung war an dem Tag gedrückt und trüb, genau wie der Tag. Hunger, Einsamkeit und die körperliche Anstrengung von meinen Arbeiten und der Kälte dünnen auch das psychische Fell aus! Es gibt Menschen, die bekommen schlechte Laune, wenn sie Hunger haben. Bei mir war das auch so, jedenfalls nach ein paar Tagen. Besonders eindrücklich habe ich das am Wetter gemerkt: Sonnenschein = gute Laune; Regen = schlechte Laune; Regen und Nebel = Weltuntergang.
Die Aussage in meinem Tagebuch, dass ich den "ganzen Luxus auch weglassen" könnte, war von meinem heutigen Standpunkt gesehen eine Fehleinschätzung. Denn jede kleine Verbesserung der Lebensumstände in einer Survivalsituation bedeutet, dass man man mehr Nerven und Energie für wesentliche Aufgaben übrig hat. Als Beispiel seien meine Toilettengänge zu nennen. In den ersten Tagen habe ich mir immer einen Baum oder Stein zum anlehnen gesucht und mein Geschäft schnell mit brennenden Oberschenkeln beendet. Irgendwann habe ich einen gebogenen Wachholderast über eine Felsspalte gelegt und hatte eine wunderbare Sitzgelegenheit. Von da an war es viel entspannter aufs Klo zu gehen. Dieser Luxus verbesserte meinen Lebensstandard und damit mein Wohlbefinden und meine Laune.
Als kleines Fazit: In einer Survivalsituation auf die wesentlichen Bedürfnisse konzentrieren (Unterschlupf, Wasser, Feuer, Nahrung) ohne dabei die kleinen Verbesserungen des Survivalalltags außer Acht zu lassen (z.B. bequeme Sitzgelegenheit, gemütliche Laufwege zur Wasserstelle, etwas schönes Schnitzen, Aussicht genießen usw.).
Die Fortsetzung der Artikelserie findest du HIER
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Ich freue mich wenn ihr diesen Artikel weiterempfehlt:
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Uta (Sonntag, 21 Februar 2016 04:14)
Kleine Dinge, große Wirkung... Kann mir gut vorstellen, dass das eine Menge ausmacht. Danke übrigens für den spannenden Blog, lese mit großem Interesse mit.