Survival-Tagebuch 2004 - 13. Der Sinn des (Über)Lebens

Der zehnte Tag. Auch nachdem ich den Tagebucheintrag gelesen habe, erinnere ich mich nicht mehr an den Tag. Er Muss ohne herausragende Ereignisse gewesen sein.

 

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Was ich jedoch den Seiten im Tagebuch entnehme: Selbst fernab meiner Besitztümer, eines Fernsehers und der üblichen medialen Unterhaltung/Ablenkung, kreisten meine Gedanken fast schon zwanghaft um die Gegenstände die ich besaß (Schlafsack, Spaten, Topf usw.). Und anstatt mich an ihnen zu freuen, sie zu nutzen und einfach glücklich über die Erleichterung zu sein die sie mir brachten, bereiteten sie mir Sorgen. Ich machte mir Gedanken, ob sie das Survivalerlebnis nicht abschwächen würden und warf mir vor, dass ich gegen meine eigenen Spielregeln verstoßen hatte. Gleichzeitig bekam ich von allem nicht genug. Die Werkzeuge waren zu stumpf, beim Hasenfleisch kauen dachte ich an Döner und das Dach über meinem Kopf war mir nicht dicht genug.

In meinem heutigen (normalen) Alltag verliere ich mich noch deutlich mehr in materiellen Ablenkungen, Sorgen und Wünschen als in den Zeiten die ich in der Natur verbringe. Aber ich merke es kaum noch, so tief bin ich in meinem eigenen Alltagsnetz verstrickt. Das ist die alte Leier vom "Wald vor lauter Bäumen nicht sehen" :-)

 

Der Abstand zu meinem normalen Lebensumfeld und der täglichen Berieselung mit Musik, Informationen, Büchern und auch zum Blogschreiben, den ich mit meinen Wildnistouren erzeuge, führt zu einem klareren Blick auf meinen eigenen Umgang mit der Lebenszeit. Ich fange an zu erkennen, wie sehr ich doch strampel und zappel um ein ausgeglichenes und glückliches/bewusstes Leben zu führen. Und je mehr ich strampel, desto mehr verheddere ich mich im Haushalt, dem neuen Weber-Grill, einer Isomatte von Thermarest (oder soll ich doch die von Exped nehmen?!), der Arbeit usw... 

 

Eine solche Erkenntnis ist unangenehm und schockierend, bietet mir aber die Chance auf Veränderung.

Sowohl für eine Überlebenssituation, als auch für das alltägliche Leben bedeutet das für mich: Ausrüstung und praktische Fähigkeiten mögen wichtig sein, die innere Einstellungund die Fähigkeit, die eigenen Lebensumstände klar zu sehen, haben aber einen weitaus größeren Einfluss auf unser Leben als wir uns eingestehen.

 

Aus meinem Tagebuch:

Samstag: 21.8.2004

Zum ersten Mal seit vielen Tagen (drei oder vier) hat die Sonne mal wieder richtig geschienen. Es hat zwar noch nicht gereicht um das Holz zu trocknen, aber immerhin. Allerdings ist sie jetzt auch schon wieder hinter den Wolken. Diese Nacht habe ich in der anderen Hälfte der Kote verbracht, wo es zwar auch, aber doch viel weniger getropft hat. Dann war ich vorhin Moltebeeren essen, 341 Stück. Auf dem Rückweg musste ich bergauf gehen und habe gemerkt wie entkräftet ich bin. Ich esse auch viel zu wenig. Eigentlich nur das Fleisch und die Beeren, wobei das wenige Hasenfleisch noch nicht mal wichtige Proteine enthält. Ich müsste eben viel
mehr Wurzeln, Flechten und Blätter essen, wozu ich jedoch zu faul bin. Anstatt dessen warte ich lieber auf meine Rettung. Ich musste feststellen, dass ich eine zu lange Zeitspanne für dieses „Projekt“ gewählt habe. Mittlerweile halte ich nur noch aus und verwende so
gut wie alles was mir das Leben leichter macht. Und es macht auch keinen Spaß mehr. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich gar nicht die Möglichkeit gehabt hätte in eine verfallene Hütte mit verrostetem Werkzeug zu ziehen. Wenn auch mein Schlafsack außer Reichweite gewesen wäre. Dann abgebrochen hätte ich es trotzdem nicht. Es wäre eben nur etwas
ungemütlicher geworden, bzw. ich hätte mich mehr anstrengen müssen. Aber auch so bin ich bisher voll und ganz auf meine Kosten gekommen, da ich ja auch einen Großteil der Zeit ohne alle Hilfsmittel verbracht habe. Und außerdem gibt es nicht unter den Sachen die ich dann doch verwendet habe, ohne das ich meine „Survivaltour“ hätte abbrechen müssen.

Mein kurzes Fazit und gleichzeitig eine Handlungsempfehlung für Menschen, die sich auf Überlebenssituationen und alle anderen Arten von herausfordernden Lebensumstände vorbereiten wollen:

 

Bereite dich ruhig materiell vor, kaufe dir Ausrüstung und lerne zu jagen und zu fischen. Und wenn du alles gekauft, getan und gelernt hast, wirst du dich hinsetzen, die Augen schließen und dir die folgenden Fragen stellen: Wo stehe ich in meinem Leben? Was will ich in meinem Leben verwirklichen? Wer bin ich und was macht mich wirklich aus?

 

Denn wer in sich selbst ruht, sich seiner selbst und seiner Umwelt bewusst ist, den werfen auch ein stumpfes Messer, kalte Füße und Hasen- statt Dönerfleisch nicht aus seiner Komfortzone. :-)

Die Fortsetzung der Artikelserie folgt bald.

 

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